Brandbrief an den Stadtrat

In Süddeutsche Zeitung (Online-Ausgabe), 14.05.2018, Link zum Artikel

Die private Aton-Schule muss wegen eines Wohnungsbauprojekts aus ihren Räumen ausziehen. Die Einrichtung hat bereits ein Grundstück im Auge - nun müssen die Politiker im Rathaus entscheiden

Von Ellen Draxel, Schwabing

Kamilla Hoerschelmann hat einen Brandbrief an alle Münchner Stadträte geschickt; der Schulleiterin der Aton-Schule sitzt die tickende Uhr im Genick - sie weiß, es muss dringend eine Lösung her. Seit 14 Jahren gibt es die private musisch-kreative Ganztagesschule mit Sitz in Schwabing schon. Doch nun sieht sich die Einrichtung gezwungen, ihre Räumlichkeiten im dritten Stock des Gebäudes Infanteriestraße 14 zu verlassen. Der Komplex wird abgerissen und durch einen Wohnungsneubau ersetzt. Der Auszugstermin wäre bereits im Mai gewesen, "aber unser Vermieter hat uns jetzt gestattet, bis 31. Juli, also bis Schuljahresende, zu bleiben", sagt Hoerschelmann. "Dafür sind wir sehr dankbar." Was aber passiert danach? Wie sieht die Zukunft der Grund- und Mittelschule mit M-Zweig aus?

Alternative Bildung: In der Aton-Schule werden Schüler zu den klassischen Fächern vertieft in Theater, Kunst, Tanz und Musik unterrichtet. (Foto: Stephan Rumpf)

"Unser größter Wunsch", sagt die Rektorin, "wäre die Chance auf einen Neubau an der Ecke Düsseldorfer/Prinz-Eugen-Straße". Das Grundstück, auf dem der gleichnamige Trägerverein der Aton-Schule zusätzlich zu einem Schulgebäude auch noch gerne eine Kita bauen würde, gehört der Stadt. Das Bildungsreferat hat bereits signalisiert, für dieses Areal selbst "keinen dringenden örtlichen Bedarf geltend machen" zu wollen. Womit die Entscheidung nun bei der Politik liegt. Am 5. Juli steht das Thema auf der Tagesordnung des Stadtrats. Hoerschelmann hofft, dass ihre Bitte, den Punkt in die Juni-Sitzung vorzuverlegen, Beachtung findet. "Dann könnten wir nämlich, falls das Votum zu unseren Gunsten ausgeht, auf dem Grundstück noch Container für den Unterricht im kommenden Schuljahr aufstellen lassen."

Die Aton-Schule, eine private Ganztagsschule mit musisch-kreativem Schwerpunkt. (Foto: Stephan Rumpf)

Für die Schule geht es um eine dauerhafte Heimat und eine langfristige Perspektive. "Nur dann", erklärt die Schulleiterin, "bekommen wir von der Regierung von Oberbayern auch eine Übergangslösung finanziert". Und nur dann würden Eltern ihre Kinder auch bei der Schule anmelden. "Wir haben sehr viele Interessenten, aber die meisten Familien zögern noch, weil sie nicht wissen, wo es hingeht", sagt die Musikpädagogin.

75 Kinder besuchen derzeit die Aton-Schule. Es sind viele, die nicht ins Raster des staatlichen Schulsystems passen. Die Aton-Schule setzt auf alternative Bildung, Mädchen und Jungen werden zusätzlich zu den klassischen Fächern vertieft in Theater, Kunst, Tanz und Musik unterrichtet. Jedes Kind lernt mindestens ein Instrument, regelmäßig finden Projekte und Naturtage statt. "Wir haben großen Zuspruch. Zu uns kommen viele Kinder, die mit dem Druck in den staatlichen Schulen nicht zurechtkommen", sagt die Rektorin. Spaß am Lernen, das eigene Tempo und soziales Engagement stehen im Vordergrund. Es gibt keine Noten, keine Tests, keine Prüfungen. "Lebenstauglich", betont Hoerschelmann, seien ihre Schüler trotzdem. Weil sie sich einschätzen könnten und selbstbewusst seien. Viele machten sehr gute Abschlüsse bei externen Prüfungen. "Diese Schule ist ein erfolgreicher Teil der städtischen Bildungslandschaft", sagt die Schulleiterin. "Wir würden bei einem Neubau alles selbst stemmen, die Planung, die Finanzierung, die Umsetzung. Die Stadt bräuchte sich nur damit zu schmücken, eine solche Schule in München zu haben." Drei oder vier Jahre in der Luft zu hängen, könne man aber kaum verkraften.

Alternativlösungen hat der Verein dennoch zu finden versucht. Eine Interimsherberge könnte etwa ein Gebäude an der Bayerwaldstraße in Perlach sein, das Haus verfügt über eine Genehmigung für den Schulbetrieb. Auch Am Moosfeld in Trudering, im Schulkomplex einer griechischen Schule, würde die Aton-Schule für kurze Zeit unterkommen. Der Bezirksausschuss Schwabing-West, der die Schule gerne im Viertel halten würde, brachte vor wenigen Tagen außerdem das Fisser-Gelände an der Schwere-Reiter-Straße ins Spiel.