Wissenschaftliche Begleitung

Prof. em. Dr. Rolf Oerter
Prof. em. Dr. Rolf Oerter

Seit ihrer Gründung wird die Aton-Schule vom Institut für empirische Pädagogik und pädagogische Psychologie der LMU München, Prof. Dr. emerit. Rolf Oerter wissenschaftlich begleitet.

Website von Rolf Oerter

Bericht von Prof. Dr. Rolf Oerter der LMU München, April 2016

Die Aton-Schule ist eine private Ganztagsschule mit Grund- und Hauptschule einschließlich M-Zweig. Sie führt zum Hauptschulabschluss, zum Qualifizierten Hauptschulabschluss und zur Mittleren Reife. Sie wird durch ein besonderes Profil geprägt, das durch die Betonung der musisch-kreativen Anregung und Förderung, durch eine geborgene Wohnatmosphäre, durch gelingende individuelle Unterstützung und durch ein kooperativ-soziales Klima gekennzeichnet werden kann. Ziel der Bildung ist die Entfaltung der Gesamtpersönlichkeit, die über den klassischen Kanon der Schulleistung hinaus das individuelle kreative Potenzial der Kinder und Jugendlichen fördert. Verwirklicht wird dieses Ziel in einer wohnlichen Lernumgebung, in der die Zeit der Bildung und Entwicklung zu einer glücklichen Schulzeit wird. Hier verbinden sich Zusammenhalt, wechselseitige Verantwortung und Lernen in einer heiteren Atmosphäre zu einer prägenden Erfahrung, die eine solide Grundlage für die späteren Lebensaufgaben bildet.

Im Folgenden werden einige Aspekte der Schule näher erläutert.

Formales

Die Aton-Schule ist unter anderem von Frau Kamilla Hörschelmann gegründet und wird von ihr pädagogisch und inhaltlich immer wieder neu durchdacht und weiter voran gebracht. Neben neun Lehrkräften stehen Fachkräfte für Instrumentalunterricht, Kunsterziehung, Hauswirtschaft, Keramik, Handarbeit, Sport, Rhythmik und Chorgesang zur Verfügung. Theateraufführungen werden von Schauspielern, Theaterpädagogen oder Musikern geleitet, wobei Initiative, Gestaltungsvorschläge und Inhalte weitgehend von den Schülerinnen und Schülern eingebracht werden. Der Unterricht findet in altersgemischten Klassen statt, wobei zwischen Grundschule; Mittelstufe und Oberstufe unterschieden wird. Es gibt keine Noten, sondern nur sprachliche Darstellungen des jeweiligen Leistungsniveaus und Verhaltens. Wie in staatlichen Schulen ist der Übertritt ans Gymnasium möglich. Hier erfolgt die Leistungserfassung in Übereinstimmung mit den geltenden Übertritts-Regelungen. Die jeweiligen Abschlussprüfungen an der Hauptschule werden extern vorgegeben.

Schule als Lebensraum

Die Räume der Aton-Schule sind Wohnräume, in denen je nach Situation an runden Tischen, die jederzeit verstellbar sind, im Kreis am Boden oder an Materialien gearbeitet wird. Außerhalb von Neueinführungen und gemeinsamem Unterricht ist die Arbeitseinteilung frei, so dass sich die Kinder bzw. Jugendlichen im gleichen Zeitabschnitt mit unterschiedlichen Stoffen beschäftigen. Das Klassenzimmer wird zur Wohnstube. Im gesamten Schulraum dürfen keine Schuhe getragen werden, so dass Schülerinnen und Schüler auch den Boden als Arbeitsplatz wählen können (z. B. wenn viel Platz benötigt wird).

Frühstück, Pausebrot und Mittagessen werden in der Schule eingenommen, wobei die Schülerinnen und Schüler sukzessive in die Mahlzeitbereitung und –verteilung einbezogen werden.

Da auch Theateraufführungen, Konzerte und sonstige gemeinsame Veranstaltungen in den Räumen der Schule stattfinden, wird sie zu einem ganzheitlichen Lebensraum, in dem sich die Lernenden wohlfühlen und geborgen sind.

Ganzheitlichkeit und musische Förderung

Das gesamte schulische Leben ist in musische Tätigkeit eingebettet. Singen, Musizieren, Tanzen, Malen und Schreiben durchdringen das tägliche Lernen, das dadurch vor Schulverdrossenheit und Motivationsblockaden besser geschützt ist. Alle lernen ein Musikinstrument ihrer Wahl und musizieren nach kurzer Lernzeit bereits in Gruppen. Anregung zur Kreativität ist in den Schulalltag eingebunden und gibt den jeweils behandelten Rahmenthemen Farbe und Originalität. Gemeinsame musische Aktivität wird in Theaterstücken, Konzerten und anderen Veranstaltungen realisiert, wobei die eigene schöpferische Kapazität der Kinder und Jugendlichen zum Tragen kommt, indem sie Stücke selber erfinden und schreiben, Kostüme entwerfen und die musikalische Umrahmung gestalten.

Die Ganzheitlichkeit der Bildung an der Aton-Schule zeigt sich auch darin, dass jedes Kind und jeder Jugendliche seine besonderen Fertigkeiten und Fähigkeiten zeigen darf, auch wenn sie mit dem üblichen Leistungskanon der Schule nichts zu tun haben. So sollen Selbstvertrauen und Selbstsicherheit im Sinne der Selbstwirksamkeit gefördert werden.

Differenzierung:

Eine der schwierigsten Aufgaben schulischer Bildung ist die Differenzierung, also die individuelle Lernförderung, angepasst an das jeweilige Entwicklungs- und Leistungsniveau. Die Aton-Schule hat im Laufe ihres Bestehens sich besonders intensiv mit dem Problem der Differenzierung beschäftig und eine Reihe von Maßnahmen entwickelt, die dieser Aufgabe gerecht werden. Dazu gehört in der Grundschule „Das kann ich schon“ Aufgaben, im Fach Mathematik, die in Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Begleitung erarbeitet wurden. Für die Fächer Deutsch und auch Mathematik sowie für die Dokumentation des Arbeits- und Sozialverhaltens der Schüler wurden in Anlehnung an die Montessori- Leistungserfassungsbögen eigene Erfassungsbögen entwickelt. Zudem werden die täglichen Lernereignisse der Schüler dokumentieren. die Entwicklung von Curricula mit konkreten Leistungsangaben, die es erlauben, den jeweiligen Stand der Schülerinnen und Schüler zu erfassen und dort anzuknüpfen. Weiterhin erleichtern die altersgemischten Klassen die Bildung von homogenen Leistungsgruppen über verschiedene Altersstufen hinweg. Die Lernenden selbst nehmen wesentlich Anteil an dem Differenzierungsprozess, indem sie den Verlauf ihrer eigenen Lerngeschichte festhalten und kontrollieren. Zudem gibt es Wochenpläne, in denen neben der jeweiligen inhaltlichen Thematik Lernziele individuell festgelegt werden.

Soziale Erziehung und Atmosphäre

Ein besonderes Anliegen der Aton-Schule ist die Schaffung eines positiven sozialen Klimas, in dem die Kinder und Jugendlichen sich wechselseitig unterstützen, Verantwortung übernehmen und sich geborgen und wohl fühlen. Soziale Konflikte werden nicht als störende Ereignisse im Unterricht aufgefasst, sondern ernst genommen. Sie werden zum Gegenstand bewusster Auseinandersetzung und der Bemühung um Lösungen.

Der Aufbau sozialer Kompetenz geht einher mit der positiven Erfahrung gemeinsamen Erlebens und Handelns, eingebettet in die Gesamtatmosphäre des schulischen Lebens. Der tägliche Morgenkreis eröffnet gewissermaßen das soziale Geschehen, das als gemeinsame Erfahrung im Tagesablauf immer wieder die Schülerinnen und Schüler zusammenführt. Gemeinsame, zum Teil auch von den Kindern und Jugendlichen initiierte alltägliche Veranstaltungen prägen das soziale Leben ebenso wie die besonderen Theater- und Konzertaufführungen. In vielem ähnelt das soziale Leben der von Kohlberg initiierten Clusterschule, in der moralisches soziales Verhalten durch gemeinsames Entscheiden und Handeln entwickelt wird.

Öffnung der Schule nach draußen

Schulische Bildung und Erziehung bleiben einseitig, wenn sie sich nur in der Abgeschlossenheit schulischer Räume vollziehen. Die Aton-Schule vermeidet diese Abschottung durch eine Reihe von Unternehmungen. Es gibt regelmäßig Ausflüge und Reisen, z. B. Bergwanderungen, Fahrten zum Meer, Reiten, Besuche bei Handwerkern und generell die Erforschung der Umwelt. Auf diese Weise erleben sich Kinder und Jugendliche in neuen Umgebungen und können den sozialen Zusammenhalt außerhalb der Geborgenheit der Schule erproben bzw. neu gestalten. Der Bildungswert solcher Exkursionen wird in der ökologischen Validität des Kompetenzerwerbs gesehen, d. h. in der Nähe zur gesellschaftlich- kulturellen Realität des erworbenen Könnens und Wissens.

In diesem Wechselspiel von externem und internem Lernen kommt den Eltern eine besondere Rolle zu. Sie vermitteln zwischen häuslich-familiären und schulischem Leben, indem sie aktiv durch Mithilfe die Schule mitgestalten. Die Einbeziehung der Eltern ist somit eine Besonderheit der Aton-Schule, in der sie sich von der staatlichen Schule unterscheidet.

Die psychosoziale Versorgung

Nicht alle Probleme können innerhalb des schulischen Lebens gelöst werden. Psychische Auffälligkeiten und Störungen müssen durch Zuhilfenahme zusätzlicher fachlicher Kompetenz in Angriff genommen werden. Derzeit besteht (regelmäßiger) bei Bedarf Kontakt und Austausch mit folgenden Institutionen:

KIBS IMMA

MSD Autismus

Schulberatungsstellen

Obwohl die Aton-Schule häufig von Eltern kontaktiert wird, deren Kind in der (Regelschule) staatlichen Schule nicht zurechtkommt, können schwierige Kinder nur sehr begrenzt aufgenommen werden, um die Ziele der Aton-Schule nicht zu gefährden.

Glückliche Schulzeit für glückliche Kinder und Jugendliche, aber auch für glückliche Lehrerinnen und Lehrer

Die Zeit der Kindheit und des Jugendalters sollten eine glückliche Zeit sein. Das ist nicht nur ein Recht der jungen Menschen, sondern auch die Voraussetzung für die Bewältigung der späteren Lebens- und Entwicklungsaufgaben. Schule kann zu einem Belastungsfaktor großen Ausmaßes werden und dieses Ziel aus de n Augen verlieren. Die Aton-Schule, die nun auf eine zehnjährige Erfahrung zurückblicken kann, hat dieses Ziel der glücklichen Schulzeit immer im Auge behalten und es permanent zu verwirklichen gesucht. Die Lehrkräfte erhalten in regelmäßigen gemeinsamen Gesprächen Hilfe für den Erziehungsalltag und können sich in einer allgemeinen Atmosphäre des kreativen, interessierten und entspannten gemeinsamen Lernens wohlfühlen.

München, 20. April 2016 , Prof. Dr. Rolf Oerter

Auszug aus dem Bericht 2005 von Prof. Dr. Rolf Oerter über die Aton-Schule im Gründungsjahr

1. Leistungsdaten

Der Bericht beginnt mit der Darstellung der Leistungsdaten, da der Erfolg der Schule zuvörderst davon abhängt, ob ihr Leistungsniveau mit dem der Regelschule vergleichbar ist. Am wichtigsten sind die Befunde der vierten Klasse, denn hier sind wegen möglichen Wechsels in weiterführende Schulen objektive Leistungsdaten erforderlich. Die folgenden Aussagen beziehen sich ausschließlich Testbefunde, da die Atonschule keine Noten gibt.

1.1 Leistungen des 4. Jahrgangs

Verwendet wurde für den vierten Schülerjahrgang der Allgemeine Schulleistungstest 4 (AST-4). Der Test ist auf das Ende des vierten Schuljahres geeicht. Da wir bereits im März/April die Leistungen erhoben haben, spiegeln die Daten einen Leistungsvorsprung von 1-2 Monaten wider. Zwei sind zeigen einen deutlichen Rückstand, sie sind aber neu in die Klasse eingetreten. Ihr Rückstand ist also teilweise auf die erst spät einsetzende Förderung zurückzuführen. Mit Ausnahme dieser zwei Fälle sind die Kinder der Normalpopulation weit überlegen. Wegen der geringen Schülerzahl kann aber keine Generalisierung vorgenommen werden.

1.2 Rechtschreiben

Für die Rechtschreibleistungen wurden für die erste Klasse zwei Testnormen herangezogen, die für das Ende des ersten Halbjahres (etwas zu leicht) und die für die zweite Hälfte des Schuljahres (etwas zu schwer). Es zeigt sich, dass die jetzige zweite Klasse einige Defizite aufweist, die noch von der ersten Klasse herrühren. Einige Kinder waren damals erst fünf Jahre alt und begannen sehr spät mit dem Lesen. Die neue erste Klasse liegt demgegenüber bei der zweiten Messung über dem Durchschnitt. Damit zeigt sich, dass sich die Erfahrungen des vergangenen Schuljahres (2004/2005) positiv auf den Unterricht ausgewirkt haben. Dies bestätigt sich auch in den Leseleistungen (s. unten).

1.3 Leseleistung

Bemerkenswert an den Testergebnissen sind zunächst die guten Werte des neuen ersten
Schülerjahrganges. Die Kinder haben innerhalb eines halben Jahres erstaunliche Fortschritte gemacht (Der Kaufman ABC-Test erfasst auch Leistungen bei Schuleintritt, also das, was Kinder im Durchschnitt schriftsprachlich wissen). Im Leseverständnis existieren für die Schulanfänger noch keine Normwerte. Für die Erstklässler sind die Normwerte auf Siebenjährige geeicht. Da fast alle Kinder des ersten Jahrgangs jünger als sieben sind, bedeuten ihre erzielten Werte einen Vorsprung . Bei den Werten der vierten Klasse könnten sich nach unseren Befunden Ceiling-Effekte zeigen, obwohl der Kaufman-ABC bis zum Alter von 12 Jahren reicht.

1.4 Leistungen in Mathematik

Die im zweiten Halbjahr erfassten Leistungen liegen im neuen ersten Schülerjahrgang mehrheitlich oberhalb des Durchschnitts und demonstrieren auch im Fach Mathematik den Erfolg der Atonschule. Auch die übrigen Klassen verzeichnen mit einer Ausnahme (die als Dyskalkulie diagnostiziert worden war) gute Werte.Resümee zu den LeistungsdatenBezüglich der Schulleistungen gibt es kleine Leistungsrückstände. Einige Kinder zeigen in einigen Bereichen unterdurchschnittliche Werte, doch entspricht dies den Erwartungen bei standardisierten Tests. Insgesamt liegen die Leistungen der Kinder in der Atonschule etwas höher als in der Regelschule. Die Leistungswerte spiegeln bereits positive Effekte der Differenzierung wider. Dazu einige Beispiele.Eines der Kinder des zweiten Schülerjahrgangs war im vorausgegangenen Schuljahr weit unter sechs Jahren alt, zeigte im allgemeinen Entwicklungsniveau eher hohe Werte, aber war am Lesen desinteressiert und konnte am Ende des ersten Schuljahres noch nicht lesen. Jetzt- sieben Monate später- sind seine Leseleistungen überdurchschnittlich, gemessen an den Standardwerten der 2. Klasse! Im 4. Schülerjahrgang sind alle Kinder mit Ausnahme der später eingetretenen Kinder überdurchschnittlich, wobei eines der Kinder zu den Hochbegabten gerechnet werden kann. Die große Leistungsdivergenz (im Vergleich zu den beiden spät eingetretenen Kindern) ist als Resultat differenzierender Förderung anzusehen.

1.5 Kompetenzen im musischen Bereich

Die Atonschule betont die musische Förderung als zentralen Aspekt ihres Programms. Löst sie diesen Anspruch ein? Aufgrund der frühen Abgabe des Gutachtens konnte noch kein Musiktest durchgeführt werden. Gedacht ist an den PMMA/IMMA (Gordon, 1979). Bei musischen Kompetenzen entscheidet aber ohnedies mehr das faktische Können als Werte in Musiktests (die Validität von Musiktests ist nicht sehr hoch). Die Kinder der Atonschule sind bezüglich dreier Bereiche der Gleichaltrigenpopulation deutlich überlegen: Singen, Instrumentalspiel und Tanz.

Die Kinder können schon im ersten Schülerjahrgang mehrstimmige Kanons richtig singen, eine Leistung, die sonst in dieser Altersklasse noch nicht auftritt (Oerter & Bruhn, 2005). Sie erfinden Melodien und Texte und nutzen ihre ‚Kompositionen‘ für Theaterstücke und Adhoc-Präsentationen. Fast jedes Kind spielt ein Instrument und nutzt sein Können als Mitglied des Schülerorchesters. Dieses tritt bei Elternnachmittagen oder im größeren Kreis auf. Der Tanz schließlich wird regelmäßig gepflegt, zum einen als Element des Unterrichts, wo er Eindrücke verschiedener Fächer gestaltend aufgreift, zum anderen als Bestandteil von Musik und Theaterspiel. Die Kinder erfinden selbst Tänze und kleiden sich entsprechend der Intention des Tanzes. Sie werden unter fachkundiger Anleitung gefördert und bei ihren eigenen Tanzkreationen beraten.

Auch im Bereich von Zeichnen, Malen und Werken sowie in der Förderung von Bewegung und Sport wendet die Atonschule mehr Zeit als die Regelschule auf. Dies ist leicht möglich, weil die Atonschule eine Ganztagsschule ist und nicht mit Zeitproblemen zu kämpfen hat.
Durch die starke Betonung des Musischen kann in optimaler Weise Gleichgewicht zwischen ruhiger konzentrierter Arbeit und dem Bewegungsbedürfnis der Kinder hergestellt werden. Für die musische Erziehung werden zusätzlich weitere Experten herangezogen (s. Aufstellung unter Punkt 6).

2. Leistungsklima: Tests statt Noten

Die Atonschule verzichtet auf Notengebung mit der Begründung, Lernfreude und Schulklima würden durch diese Maßnahme verbessert. Beobachtungen des Schülerverhaltens bestätigen, dass die Kinder große Lernfreude zeigen, sehr wissbegierig sind und dass ein sehr positives Lernklima herrscht. Die Kinder erhalten regelmäßig Rückmeldung über ihren Leistungsstand und erarbeiten gemeinsam mit den Lehrkräften ihren individuellen Wochenplan (s. auch Punkt 4). Damit ist das wichtige Ziel erreicht, Lernen an der Diagnose des Leistungsstandes zu orientieren. Interessanterweise nahmen die Kinder gerne an den Testsitzungen teil und empfanden sie nicht als Prüfungen, sondern eher als Rätselstunde. Das gesamte Schulklima profitiert durch die Befreiung vom Notendruck (s. auch Punkt 7). Es wäre dringend zu empfehlen, die Praxis der Notengebung an Grundschulen generell zu überdenken. Es kann keine Rede davon sein, dass ohne Noten das Leistungsniveau sinken würde. Im Gegenteil, die unbeschwerte Freude am Lernen, das Interesse an neuen Inhalten können ohne Notengebung leichter aufrecht erhalten werden. Insofern bewährt sich das Konzept der Atonschule.

 

3. Elemente des Tagesablaufs und ihre Wirksamkeit

Da es sich bei der Atonschule um eine Ganztagsschule handelt, ist zu prüfen, ob der Tagesablauf optimal gestaltet ist. Eine permanente Fortsetzung von Unterrichtsstunden über den Tag hinweg wäre grundlegend falsch, ebenso wie eine reine Spiel- und Freizeitgestaltung am Nachmittag. Die Atonschule hat ein Konzept gewählt, das beide Extreme vermeidet und zugleich durch den Tagesablauf einen Lebensraum gestaltet, in dem sich die Kinder stets wohlfühlen können.
Zwischen 8 und 9 Uhr morgens kommen die Kinder zur Schule. Schon zu dieser Zeit kümmern sich Erwachsene um sie und befassen sich mit einzelnen Lernaufgaben. Der eigentliche Unterricht beginnt um 9 Uhr mit dem Morgenkreis, der ausgehend von den Erlebnissen der Kinder und eingebettet in Musizieren gewöhnlich etwas Neues einführt.

Es folgt regelmäßig der als grundlegender Unterricht (GLU) bezeichnete Tagesabschnitt, in dem die Kinder einzeln oder in kleinen Gruppen arbeiten. Die eigentliche Lernzeit vollzieht sich also nicht mehr im Frontalunterricht, sondern in Form selbstorganisierenden Lernens, das allerdings permanent von erwachsenen Betreuern unterstützt und überwachst wird. Je nach Wochentag gibt es zusätzlich Stunden für Werken, Musik, Tanz, Turnen und Bewegung sowie für Mathematik und Physik. Gegen 10.30 Uhr gibt es ein zweites Frühstück, das die Kinder gemeinsam mit den Erwachsenen einnehmen. Der Vormittag endet mit dem Mittagskreis, der alle Kinder einer Klasse, also vom zweiten bis vierten Schülerjahrgang bzw. vom ersten bis dritten Jahrgang zusammenführt. Hier werden Lerninhalte des Vormittags zusammengefasst, Geschichten der Kinder vorgetragen und Erfahrungen musikalisch verarbeitet (z. B. Rhythmisierung von Zahlengruppen oder Begriffen).
Es folgt das gemeinsame Mittagessen. Danach werden häufig besondere Lernsituationen hergestellt, z. B. Spanisch sprechen mit einer Chilenin, Spiel und Tanz, Werken, Besichtigungstouren etc. Der Tag endet mit dem Abschlusskreis, der noch einmal die Kinder zu einer gemeinsamen Aktivität zusammenführt und sie nach Hause verabschiedet.

4. Leistungsdifferenzierung

Eine Schulklasse, die wie in der Atonschule mehrere Jahrgänge umfasst, steht und fällt in ihren Leistungsmöglichkeiten mit dem Gelingen der Differenzierung. Die bisherigen Befunde in Regelklassen zeigen, dass Differenzierung außerordentlich schwierig ist. Wie gelingt Differenzierung an der Atonschule? Es sind vor allem drei Bedingungen, die an der Atonschule effiziente Differenzierung ermöglichen: Die Erstellung und Kontrolle von Wochenplänen, der Umfang an selbstorganisiertem Lernen und die Anzahl der Betreuungspersonen. Die Praxis der Wochenpläne hat sich nach Anfangsschwierigkeiten im Schuljahr 2004/2005 so verbessert, dass eine effiziente differenzierende Lernorganisation möglich wurde. Die Wochenpläne werden gemeinsam mit den Kindern individuell erstellt und ihre Einhaltung am Ende der Woche kontrolliert. Ziele, die nicht erreicht wurden, werden im neuen Wochenplan fortgeschrieben. Auf diese Weise können individuell optimale Leistungsniveaus erreicht werden. Kinder aus dem ersten und zweiten Schuljahr können Mathematikaufgaben des dritten und vierten Schuljahres bearbeiten, wenn sie dazu imstande sind. Umgekehrt partizipieren ältere Schüler an Aktivitäten jüngerer Kinder, wenn sie Defizite haben. Der von den Lehrkräften entwickelte Gesamtplan gewährleistet, dass die im Lehrplan vorgeschriebenen Bildungsziele erreicht werden. Der objektive Leistungsstand, wie er unter Punkt 1 dargestellt wurde, belegt, dass diese Aufgabe erfolgreich bewältigt wurde. Individuelle Wochenpläne erweisen sich für eine erfolgreiche Differenzierung als unentbehrlich und müssen auch weiterhin beibehalten werden!Die zweite Bedingung für erfolgreiche Differenzierung an der Atonschule besteht in dem Modul individueller Arbeit. Der wesentliche Lernprozess vollzieht sich nicht im Frontalunterricht, sondern in individueller Arbeit, die dadurch sowohl inhaltlich als auch vom Arbeitstempo unterschiedlich ausfallen kann. Anregend dabei ist der Austausch unter den Kindern und die wechselseitige Hilfe, die bei auftretenden Problemen gewährt wird.Die dritte günstige Bedingung ist zweifellos das vorteilhaft Verhältnis von Anzahl der Betreuer zu Anzahl der Schüler. Es sind immer mehrere Erwachsene zugegen, die sich den einzelnen Kindern widmen können. Die Kinder müssen bei auftauchenden Barrieren nicht lange auf Unterstützung warten. Zuweilen sind auch Eltern in die Betreuung mit einbezogen.

5. Zwei Besonderheiten der Atonschule:

Musische Erziehung und naturwissenschaftlich-mathematische Förderung

Die Atonschule hat sich im ersten Jahr ihres Bestehens auf die ,musische Erziehung konzentriert, im zweiten Schuljahr nun die mathematisch-naturwissenschafltiche Förderung mit aufgenommen. Für die musische Erziehung stehen neben der Leiterin der Schule, Frau Hörschelmann, eine Reihe von Experten zur Verfügung (Auflistung siehe Punkt 6.2). Die Kinder erfahren Anregungen aus unterschiedlichster Perspektive. Sie werden in die besonderen Eigenschaften von Musikinstrumenten eingeführt, lernen die Noten kennen, setzen sich mit dem Rhythmus auseinander und erfahren auch etwas über die physikalischen Schwingungen von Tönen. Musik und Tanz sind in den Alltag wie selbstverständlich eingebettet. Texte und Zahlbeziehungen, wie das Einmaleins, werden auch musikalisch verarbeitet. Es hat den Anschein, als ob die musische Erziehung stark zu dem freundlichen prosozialen und geistig aufgeschlossenem Klima der Atonschule beiträgt, aber der Einfluss der Lehrkräfte, der Umgangsstil und das positive Lernklima lassen sich nicht von der musischen Aktivität isolieren, so dass alle diese Faktoren zusammen wirken mögen.

Bei der mathematisch-naturwissenschaftlichen Förderung wurden ebenfalls Experten von außen hinzugezogen: ein Physiker und ein Mathematiker, die die Kinder freiwillig mitbetreuen. In der Physik (einmal wöchentlich) lernen die Kinder eine Reihe von Experimenten kennen und werden erstmals mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten vertraut. In der Mathematik legt das Zusatzangebot des Lehrers, der ebenfalls einmal wöchentlich kommt, Wert auf mathematischem Verständnis, also auf das Durchdringen schon bekannter mathematischer Sachverhalte und die Förderung des mathematischen Denkens. In Biologie konnte die Atonschule einen in der Forschung tätigen Biologen gewinnen, der eine Woche seiner Urlaubszeit mit den Kindern verbringt und Experimente und eine Waldexkursion durchführte.

Nach unserem Eindruck ist dieses Zusatzangebot außerordentlich vorteilhaft, da die Kinder aus erster Hand mit naturwissenschaftlich-mathematischen Problemen vertraut gemacht werden. Aufgrund von Befunden über naturwissenschaftliches Training im Grundschulalter (Sodian, 2006) scheint es geboten, Versuchsanordnung und die jeweils erzielten Ergebnisse zu dokumentieren, da nur so ein bewusst kontrollierter Aufbau naturwissenschaftlichen Denkens und Verständnisses möglich ist. Insgesamt kann die Bedeutung einer solchen Förderung gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, da das Grundschulalter die entscheidende Zeit für Lernen ist, wie neurowissenschaftliche Befunde belegen (Pauen, 2004). Der Zugang zur Mathematik und zu den Naturwissenschaften sollte unbedingt schon in diesem frühen Alter angestrebt werden. Insofern leistet die Atonschule Pionierarbeit. Wir werden gegen Ende des Schuljahres prüfen, ob das naturwissenschaftliche Wissen und Denken sich im Vergleich zur normalen Alterspopulation verbessert haben. Hierbei sind aber die gängigen Tests unbrauchbar. Vielmehr ist ein Aufgabenkatalog geeignet, der sich am entwicklungspsychologischen Wissen zum Aufbau der Naturwissenschaften orientiert.

6. Lehrkräfte, Rolle der Experten: Authentizität und Vielfalt.

6.1 Experten als zusätzliche Helfer für Lernen

Neuerdings ist aufgrund vielfältiger positiver Erfahrung das Prinzip des Hereinholens von Experten in den Unterricht in der Diskussion. Die Atonschule praktiziert dieses Prinzip erfolgreich seit Beginn ihres Bestehens. Experten bieten zwei Vorteile: Sie verfügen über die erforderliche Kompetenz und sie wirken für die Kinder authentisch, weil sie beruflich ihr Fach vertreten und außen, „im wirklichen Leben“, ihr Gebiet in der einen oder anderen Form praktizieren. Als Ergänzung zum normalen Unterricht vertiefen sie ein Wissensgebiet wie Physik oder Musik und können besser als die jeweilige Lehrkraft Fehler oder Unrichtigkeiten in ihrem Fachgebiet aufdecken. Das Bekanntwerden mit einem größeren Spektrum von kompetenten Erwachsenen vermittelt dem Kind etwas von der Breite unserer Kultur, macht sie neugierig und schafft neue Erfahrungen, die ohne Hinzuziehen von Experten nicht möglich wären. Das fehlende didaktische Geschick kann durch die Fachpädagogen aufgefangen werden (wobei die meisten Experten der Atonschule auch pädagogisch vorgebildet sind) und regt die Kinder dazu an, sich mit Sachverhalten „draußen“ auseinander zu setzen. Außerdem erfährt das Kind, dass Realität trotz ihrer Komplexität ein Stück weit verstehbar wird. Nach unserem Eindruck bewährt sich das Prinzip des Hereinholens von Experten in der Atonschule aufs Beste.

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Gesamturteil:

Die Weiterführung der Atonschule kann ohne Einschränkung empfohlen werden. Begründung: Das schulische Leistungsniveau erfüllt die im Lehrplan geforderten Ziele und liegt insgesamt etwas höher als das der Vergleichspopulation. Der Schule ist es gelungen, das Prinzip der Differenzierung erfolgreich zu realisieren und damit den individuellen Entwicklungs- und Leistungsstand angemessen zu fördern.Das Schulklima zeichnet sich durch Lernfreude, Wissbegier und selbständiges Arbeiten auf der einen Seite und durch fürsorgliches, unterstützendes und aggressionsfreies Verhalten der Kinder auf der anderen Seite aus.

Dieses positive Schulklima kommt vor allem durch drei Bedingungen zustande:

  1. Ganztagsschule mit einer günstigen Aufteilung von konzentriertem Lernen, musischer Aktivität, Projektarbeit und Spiel
  2. Günstige Relation von Betreuungspersonen zur Zahl der Kinder
  3. Stressfreies Lernklima durch Verzicht auf Notengebung (die Notengebung in der vierten Klasse ist an der Regelschule inzwischen zu einem ernstzunehmenden belastenden Problem geworden)

Die Leitung der Schule und die Lehrkräfte zeichnen sich durch Engagement und großes Verantwortungsbewusstsein aus. Die Kinder befinden sich an dieser Schule in guten Händen.

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Vollständiger Bericht